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RA Digital - 12/2021

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618 Zivilrecht

618 Zivilrecht RA 12/2021 LÖSUNG A. Anspruch des K gegen B auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des PKW sowie Anrechnung einer Nutzungsvergütung aus §§ 437 Nr. 2, 326 V, 349, 346 I BGB Fraglich ist, ob K gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des PKW sowie Anrechnung einer Nutzungsvergütung aus §§ 437 Nr. 2, 326 V, 349, 346 I BGB hat. Dies setzt ein Rücktrittsrecht des K sowie dessen Rücktrittserklärung voraus. Ferner darf der Rücktritt nicht gem. §§ 438 IV 1, 218 BGB unwirksam sein. I. Rücktrittsrecht des K gem. §§ 437 Nr. 2, 326 V BGB Lies zur Frage, ob die VW AG Dritte im Sinne des § 123 II BGB ist, LG Hechingen, Urteil vom 10.03.2017, 1 O 165/16 = RA 05/2017, 238 sowie OLG Koblenz, Urteil vom 28.09.2017, 1 U 302/17 = RA Telegramm November 2017, 38. Den Anfechtungsgrund des § 119 II 2. Fall BGB sollte man in gebotener Kürze ablehnen. Das Gericht ging mit keinem Wort auf das Problem ein. Lies zum Sachmangel wegen drohendem Entzug der Betriebserlaubnis OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.05.2019, 13 U 144/17 = RA 07/2019, 349 und BGH, Urteil vom 21.07.2021, VIII ZR 254/20 = RA 09/2021, 453. 1. Kaufvertrag Der hierzu nötige Kaufvertrag wurde im Jahr 2015 geschlossen. Dieser könnte aber aufgrund der am 04.10.2017 erklärten Anfechtung gem. § 142 I BGB nichtig sein. Fraglich ist, ob K einen Anfechtungsgrund hatte. K könnte von B arglistig getäuscht worden sein. Zu prüfen ist folglich, ob die Voraussetzungen des § 123 I BGB vorliegen. Dies setzt voraus, dass der Kaufvertrag zwischen K und B aufgrund einer vorsätzlichen Täuschung des K zustande gekommen ist. Problematisch ist, dass B keine Kenntnis von der Manipulationssoftware hatte und folglich nicht vorsätzlich eine aufklärungsbedürftige Tatsache verschwiegen hat. Getäuscht hat der Hersteller VW, zu dem K keine kaufvertragliche Beziehung hat. Aufgrund des Vertragshändlervertrages zwischen VW und B, der B zum selbstständig handelnden Vertragspartner des K machte, steht VW nicht im Lager des B. Vielmehr ist VW Dritter im Sinne des § 123 II BGB. In einem solchen Fall ist die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gegenüber B nur möglich, wenn B die Täuschung kannte oder kennen musste. Die Öffentlichkeit wurde aber erst im Oktober 2015 aufgeklärt, sodass eine Anfechtung des Kaufvertrages gem. § 123 I BGB hier ausscheidet. Könnten Käufer nach Gefahrübergang den Kaufvertrag wegen Eigenschaftsirrtums gem. § 119 II 2. Fall BGB anfechten, würden sie die kurze Verjährungsfrist des § 438 I Nr. 3 BGB unterlaufen, weshalb eine Anfechtung gem. § 119 II 2. Fall BGB ausscheidet. Jura Intensiv 2. Mangel gem. § 434 BGB zur Zeit des Gefahrübergangs Das gelieferte Fahrzeug könnte bei Gefahrübergang mit einem Sachmangel behaftet gewesen sein. Die Gefahr ging auf K gem. § 446 S. 1 BGB mit der Übergabe über. Als Sachmangel kommt § 434 I 2 Nr. 2 BGB in Betracht. Danach ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein Kraftfahrzeug grundsätzlich nur dann, wenn es eine Beschaffenheit aufweist, die weder seine (weitere) Zulassung zum Straßenverkehr hindert noch ansonsten seine Gebrauchsfähigkeit aufhebt oder beeinträchtigt. Hier lagen die zwingend einzuhaltenden Zulassungsvoraussetzungen der unionsrechtlich vorgeschriebenen EU VO nicht vor, sodass der Entzug der Betriebserlaubnis seitens des KBA nach § 5 Abs. 1 FZV drohte. Deshalb fehlte vorliegend die Eignung für die gewöhnliche Verwendung und lag folglich ein Sachmangel gem. § 434 I 2 Nr. 2 BGB bei Gefahrübergang vor. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2021 Zivilrecht 619 3. Kein Ausschluss Ausschlussgründe sind nicht ersichtlich. 4. Unmöglichkeit der Nacherfüllung gem. § 275 BGB Der Anspruch auf Nachlieferung könnte wegen echter Unmöglichkeit gem. § 275 I BGB ausgeschlossen sein. Unter echter Unmöglichkeit i.S.d. § 275 I BGB versteht man die dauerhafte Nichterbringbarkeit des Leistungserfolges. [41] Auf der Grundlage der bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann eine Fristsetzung zur Nacherfüllung auch nicht gemäß der vom Berufungsgericht nicht erörterten Vorschrift des § 326 Abs. 5 BGB als entbehrlich angesehen werden. Denn dies setzt eine Unmöglichkeit beider Arten der Nacherfüllung voraus. Nur in diesem Fall ist „die Leistung“ im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB - hier die Erfüllung des Nacherfüllungsanspruchs in seinen beiden für den Käufer zur Wahl stehenden Alternativen - unmöglich und eine Fristsetzung deshalb entbehrlich (…). [42] Vorliegend steht nicht fest, ob eine mangelfreie Nachlieferung des ursprünglichen Modells zum Zeitpunkt des Rücktritts noch möglich war oder nicht. Auch hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, ob eine Nachbesserung durch das Software-Update oder gegebenenfalls durch andere Methoden (etwa „Hardware-Lösung“) unmöglich war (…). Somit stand K kein Rücktrittsrecht gem. §§ 437 Nr. 2, 326 V BGB zu. B. Anspruch des K gegen B auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des PKW sowie Anrechnung einer Nutzungsvergütung aus §§ 437 Nr. 2, 323 I, 349, 346 I BGB Fraglich ist, ob K gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des PKW sowie Anrechnung einer Nutzungsvergütung aus §§ 437 Nr. 2, 323 I, 349, 346 I BGB hat. I. Rücktrittserklärung gem. § 349 BGB K erklärte am 04.10.2017 hilfsweise den Rücktritt für den Fall, dass die Anfechtungserklärung ins Leere ging. Fraglich ist zunächst, ob dies zulässig ist. Analog § 388 S. 2 BGB dürfen Gestaltungsrechte wie die Aufrechnung oder der Rücktritt nicht unter einer Bedingung i.S.d. § 158 I BGB erklärt werden, weil dies zu einer Rechtsunsicherheit führen würde. Eine Bedingung i.S.d. § 158 I BGB stellt, wer eine Rechtsfolge an ein in der Zukunft liegendes Ereignis knüpft, dessen Eintritt ungewiss ist. Hier hat K die Rücktrittserklärung für den Fall abgegeben, dass die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung scheitert. Das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Anfechtungsgrundes stand am 04.10.2017 jedoch bereits fest, weshalb die Rücktrittserklärung nicht unter einer Bedingung stand. Folglich erklärte K zulässig den Rücktritt hilfsweise. Die Rechtsbedingung, dass kein Anfechtungsgrund vorlag, ist auch eingetreten. Folglich liegt eine Rücktrittserklärung des K vor. Jura Intensiv II. Rücktrittsrecht des K gem. §§ 327 Nr. 2, 323 I Fall 2 BGB Die Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs gem. §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB lagen vor (s.o.). Das Rücktrittsrecht des § 323 I 2. Fall BGB verlangt den erfolglosen Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung. Eine solche Frist hat K jedoch nicht gesetzt. Deshalb hängt das Rücktrittsrecht davon ab, ob die Fristsetzung entbehrlich war. Vorliegend hat B die Nacherfüllung nicht Lies zur Unmöglichkeit gem. § 275 BGB OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.05.2019, 13 U 144/17 = RA 07/2019, 349 und BGH, Urteil vom 21.07.2021, VIII ZR 254/20 = RA 09/2021, 453. Wer ein Gestaltungsrecht hilfsweise für den Fall erklärt, dass seine Hauptverteidigung scheitert, erklärt es nicht unter einer Bedingung i.S.d. § 158 I BGB. Hier liegt das Problem des Falles: K setzte keine Frist und B hat die Nacherfüllung gerade nicht verweigert. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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